Wesentlichkeit (Materiality) Musterklauseln

Wesentlichkeit (Materiality). Eine Einschränkung von gewissen Zusicherungen erfolgt etwa dadurch, dass nur zugesichert wird, die Gesellschaft bzw. das Zielunternehmen weise die zu- gesicherte Eigenschaft „im Wesentlichen“ auf oder Verletzungen der betreffen- den Zusicherung würden sich nicht „wesentlich“ negativ auf das Unternehmen und seine Geschäftstätigkeit auswirken. Die Formulierungen variieren, doch gemeinsamer Nenner ist der Gedanke, dass Kleinigkeiten nicht Anlass zu An- sprüchen geben sollen. Typisches Beispiel ist etwa die Zusicherung der Rechtseinhaltung, wo der Käufer in der Regel bereit ist, unbedeutende Rechts- verstösse hinzunehmen. Ein Vergleich mit der Regelung des OR zeigt, dass nach der gesetzlichen Rege- lung bei der Mängelfreiheit im Sinne des Vorhandenseins der sog. vorausge- setzten Eigenschaften ein ähnlicher Standard gilt: Mängel begründen nur Ge- währleistungsansprüche, wenn sie den Wert oder die Tauglichkeit zum voraus- gesetzten Gebrauch erheblich mindern (Art. 197 Abs. 1 OR). Für Zusicherungen gilt allerdings nach dem Gesetz keine Erheblichkeitsschwelle; schon geringfügige Abweichungen begründen Gewährleistungsansprüche.30 Die Qualifikation wirft die Frage auf, was der anwendbare „Materiality Stan- dard“ ist. Dies wird manchmal ausdrücklich im Vertrag geregelt, indem Schwellenwerte oder Umschreibungen vereinbart werden. Häufig wird aber auch die nur ungefähre Natur des Wesentlichkeitsvorbehalts akzeptiert. Im Streitfall liegt in diesem Fall die Entscheidung bei den (Schieds)richtern. Eine Auslegungshilfe mögen die im Sinne von Haftungsbeschränkungen oft verein- barten Freibeträge (de minimis Beträge, Thresholds) darstellen. Eine Hilfe kann auch das oben angesprochene gesetzliche Pendant der vorausgesetzten Erheblichkeit des Mangels nach Art. 197 Abs. 1 OR bieten. Gemäss dieser Regel ist der Mangel grundsätzlich dann wesentlich, wenn nach Vertragsinhalt oder Verkehrsauffassung sein Nichtvorhandensein den Entschluss zum Kauf oder die Höhe des Preises beeinflusst hat.31 Zu berücksichtigen ist unseres Erachtens neben den Kosten und der Dauer der Mangelbehebung vor allem, inwieweit die Betriebstätigkeit des erworbenen Unternehmens beeinträchtigt wird. Die Auswirkungen einer Gewährleistungsverletzung sollten ausserdem im Rahmen der konkreten Situation und der Transaktion beurteilt werden, wozu es auch gehört, das Verhältnis des Schadens bzw. Minderwerts zum gesamten 30 BGE 87 II 245; RVJ 1996; 171 f.; BSK OR-HONSELL, Art. 197 N 13. 31 BK OR-GIGER, Art. 197 N 68 m...