THE SO-CALLED LIFE-SAVING CONTRACT IN THE CLASSICAL ROMAN LAW
DER SOGENANNTE LEBENSRETTUNGSVERTRAG IM KLASSISCHEN RÖMISCHEN RECHT
THE SO-CALLED LIFE-SAVING CONTRACT IN THE CLASSICAL ROMAN LAW
Xxxxxxxxxx Xxxxxx*
Resumo:
A liberdade de contratar, como é definida atualmente, não era conhecida no Direito Romano. No Direito Romano das obrigações, tinha-se o chamado numerus clausus: as partes não podiam realizar contratos diferentes daqueles em que era prevista uma actio. Por outro lado, pode-se perceber que essa limitação do numerus clausus podia ser afastado sem problemas pela práxis jurídica. No contrato para salvar a vida de alguém, um indivíduo recebe algo ou torna-se credor de outro, por ter salvo-o de uma violência. Além disso, tal contrato é um bom exemplo de como os romanos lidavam com a liberdade de contratar.
Palavras-chave: Liberdade de contratar. Autonomia da vontade. Contratos
inominados.
Abstract:
The freedom of contract, as it is currently defined, was unknown in Roman law. In the Roman law of obligations, it had called numerus clausus: the parties could not perform contracts other than those to an actio was expected. On the other hand, one can see that this limitation of the numerus clausus could be outlined without problems by legal praxis. In contract to save the life of someone, an individual receives something or becomes lender of third parties, when saved him from an act of violence. Moreover, such a contract is a good example of how the Romans dealt with freedom of contract.
Keywords: Freedom of contract. Freedom of will. Inominated contracts.
1. Einführung
Die Privatautonomie1 ist das Prinzip im modernen Recht, dass in einer freien Gesellschaft jeder frei seinen Willen bilden, äußern und diesem Willen entsprechend handeln kann. Aus der allgemeinen Privatautonomie kann man die sogenannte Vertragsfreiheit entnehmen, durch die einer Privatperson zunächst das Recht verliehen wird, einen beliebigen Vertrag abzuschließen. Die Parteien können sich denn
* Professor Associado da Faculdade de Direito de Ribeirão Preto da Universidade de São Paulo, Doutor em
Direito pela Ludwig-Maximilians-Universität München (Alemanha)
1 Der Verfasser leitet ein von FAPESP (Fundação de Amparo à Pesquisa do Estado de São Paulo) gefördertes Forschungsprojekt, das sich mit Figuren des römischen Privatrechts beschäftigt, die durch diachronische, historische Rechtsvergleichungsmethoden behandelt werden. Dieser Aufsatz wurde im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelt.
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darauf einigen, dass bestimmte Regeln des Gesetzes nicht gelten sollen, sondern andere, die im Vertrag formuliert werden. Hier kann man einerseits von Abschlussfreiheit und andererseits von Inhaltsfreiheit reden.
Die Vertragsfreiheit, wie heutzutage definiert wird, hat man im Römischen Recht nicht gekannt. Im römischen Schuldrecht galt der sogenannte Typenzwang: Die Parteien konnten grundsätzlich keine anderen Verträge abschließen, für die eine actio nicht vorgesehen war. Andererseits kann man feststellen, dass die Typengebundenheit in der Praxis problemlos beseitigt werden konnte.
Bei einem Lebensrettungsvertrag bekommt jemand etwas oder verpflichtet sich dem anderen gegenüber, weil der erste den zweiten von einer Gewalt befreit hat. Ferner ist er ein gutes Beispiel, wie die römischen Juristen mit der Vertragsfreiheit umgegangen sind.
2. Die Vertragsfreiheit im römischen Recht
Heutzutage ist jede Person grundsätzlich dazu befugt, seine Beziehungen zu weiteren natürlichen Personen nach seinem eigenen Gutdünken zu gestalten, sofern ausschließlich das Privatrecht zur Anwendung kommt. Gesetzliche Vorschriften lassen Spielraum für den Willen der Parteien. Wird aber öffentliches Recht angeschnitten, so gelten selbstverständlich andere Regelungen, auf die aber hier nicht eingegangen wird.
Im ius publicum fehlt die sogenannte Privatautonomie, welche das Privatrecht charakterisiert und zugleich vom öffentlichen Recht abtrennt. Würde man diese Autonomie streichen, entzöge man dem Privatrecht nicht nur dessen Grundlage, man würde es schlichtweg aufheben.
Eine völlige Privatautonomie herrscht aber natürlich nicht. Der Gesetzgeber muss gewisse Schranken setzen und lenkt die Rechte des einzelnen Individuums, um die Interessen aller, also das Gesamtwohl, zu wahren. Ebenso muss die Durchsetzung gewisser Anschauungen der Mehrheit gewährleistet sein. Da diese oft nicht nur geringfügig abweichen, kann man über die Geschichte hinweg von Staat zu Staat auch erhebliche Unterschiede der Be- oder Einschränkungen der Privatautonomie feststellen.
Aus der allgemeinen Privatautonomie kann man die sogenannte Vertragsfreiheit2 entnehmen, das zentrale Thema dieses Aufsatzes. Durch die
0 Xxxx xxx xxxxxxxxxxx Xxxxxxxxxxx xxx Xxxxxxxxxxxxxxxx, xxx., x. a.: W. Scherrer, Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit, Basel 1948, S. 7ff., Th. Xxxxx-Xxxx, Privatautonomie und Vertragsethik im Digestenrecht, in Iura 6 (1955), S. 128ff., und M. Xxxxxx, Agere praescriptis verbis: atypische Geschäftsinhalte und klassisches Formularverfahren, Berlin 2002, S. 11ff. Vgl. auch A. Xxxxxxx, I contratti innominati in Derecho romano de obligaciones (Festschrift Murga Gener), Madrid 1994, S. 63ff.,
L. Xxxxx, Contratti innominati nel diritto romano – Impostazioni di Xxxxxxx e di Aristone, Milano 2007,
Der sogenannte Lebensrettungsvertrag im klassischen römischen Recht 147
Vertragsfreiheit wird einer Privatperson zunächst das Recht verliehen, einen „beliebigen“ Vertrag abzuschließen. Ein beliebiger Vertrag hat den Vorteil, dass er ohne weiteres Wissen über genaue gesetzliche Vorschriften abgeschlossen werden kann. Beide Parteien einigen sich aus dem gesunden Menschenverstand heraus. Das Gesetz greift erstmals bei der Verpflichtung, die Leistungen letztendlich wie festgelegt zu erfüllen.
Hierin eingeschlossen ist die Befugnis, den Vertragspartner, die Form sowie den Inhalt der Vereinbarung frei wählen zu können. Deswegen kann man einerseits von Abschlussfreiheit reden und andererseits von Inhaltsfreiheit (oder Gestaltungsfreiheit),3 so dass sich die Parteien im modernen deutschen Schuldrecht entscheiden können, ob sie den Vertrag schließen wollen und sie können auch den Inhalt der vertraglichen Regelungen grundsätzlich4 – frei bestimmen, sowie die Form des Vertrags, ohne irgendwelchen Typenzwang.5
Wenn man diese Begriffe auf das römische Recht überträgt, würde es nicht jedem erlaubt werden, an einem Vertrag, wie er heute geschlossen werden kann, als Partner teil zu haben. Die Personen, die völlig handlungsfähig waren, waren wesentlich weniger zahlreich vertreten als heute.6 Man kann nur von Abschlussfreiheit sprechen, wenn es sich um einen völlig handlungsfähigen paterfamilias handelte.7
Im Bezug auf die sogenannte Inhaltsfreiheit im römischen Schuldrecht galt der schon angesprochene Typenzwang: Die Parteien konnten grundsätzlich keine anderen Verträge abschließen, für die eine actio nicht vorgesehen war.8 Hieraus könnte man schließen, dass es keine – wie im modernen deutschen Recht angewandte – Vertragsfreiheit im klassischen römischen Recht gab. Dies stimmt aber nicht ganz. Auch wenn der heutige Begriff der Vertragsfreiheit im klassischen römischen Recht unbekannt ist, kann man feststellen, dass die Typengebundenheit in der Praxis problemlos beseitigt werden konnte.
S. 1ff., und (mit ausführlicher Literatur) E. Sciandrello, Studi sul contratto estimatorio e sulla permuta nel diritto romano, Trento 2011, S. 3ff.
3 Vgl. M. Xxxxx, Das römische Privatrecht I – Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht, München 19712, S. 477, M. Xxxxxx, Agere praescriptis verbis cit., S. 11ff., L. Xxxxx, Contratti innominati cit., S. 1ff., und E. Sciandrello, Studi sul contratto estimatorio cit., S. 3ff.
4 Es gibt natürlich auch Ausnahmen, wie z.B. im Arbeitsrecht und im Mieterecht, wo der Gesetzgeber aus sozialen Gründen die Vertragsfreiheit beschränken muss. Ausführlich, vgl. U. Wesel, Juristische Weltkunde: Eine Einführung in das Recht, Frankfurt 19848.
5 Wie es im römischen Recht (und auch im modernen deutschen Sachenrecht) üblich war.
0 Xxx. X. Xxxxx/X. Xxxxxx, Xxxxxxxxx Xxxxxxxxxxx, Xxxxxxx 000000, S. 102ff.
7 Auch im Bezug auf die Abschlussfreiheit kann man das SC Vellaeanum zitieren, das Frauen das intercedere verbietet, d.h. sie durften im Interesse Dritter keine Verbindlichkeiten eingehen, und das SC Macedonianum, das die gerichtliche Durchsetzung von Darlehensrückzahlungen vom Sohn zum Vater verhindert. Vgl. W. Scherrer, Die geschichtliche Entwicklung cit., S. 10f., und M. Kaser, Das römische Privatrecht cit., S. 667
u. 532. Vgl. auch D. Medicus, Zur Geschichte des Senatus Consultum Velleianum, Köln u.a 1957.
8 Vgl. E. Betti, Der Typenzwang bei den römischen Rechtsgeschäften und die sogenannte Typenfreiheit des heutigen Rechts in Festschrift L. Wenger, München 1944, S. 249, M. Kaser/R. Xxxxxx, Römisches Privatrecht cit., S. 163, und M. Xxxxxx, Agere praescriptis verbis cit., S. 13f.
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Die erste Möglichkeit ist die Anwendung einer stipulatio, die keinen bestimmten Inhalt hatte, sodass man dadurch grundsätzlich alles versprechen konnte.9 Auch entscheidend für eine gewisse „Vertragsfreiheit“ in dieser Zeit war die Zuständigkeit der Prätoren, für einen Einzelfall eine Klage (actio in factum) zuzulassen.10 Um eine solche Klage zu gewähren, dürfte ein Austauschcharakter des Geschäftes entscheidend gewesen sein.
Deswegen wurde bei den Römern, ebenso wie in modernen Rechtssystemen, eine große Freiheit bei der Gestaltung des Inhalts eines Vertrages gewährt. Selbstredend gab es auch damals bereits Schranken, die höhere Gesetze oder allgemeine sittliche Werte setzten.11 Gerichte erkannten beispielsweise verträgliche Ausschlüsse von Haftung seitens des Verkäufers im mutwilligen Schadensfall nicht an.12
Infolgedessen kann man annehmen, dass in der täglichen Praxis des klassischen römischen Rechts die Prinzipien der Vertragsfreiheit präsent waren, auch wenn die Römer diesen Begriff nicht wie heutzutage behandelt haben. Obgleich dieses Phänomen damals nicht nominiert wurde, haben die Römer ihre Geschäfte – und dann auch ihre Verträge – so gestaltet, wie ihre wirtschaftlichen Interessen waren. Mit der Gewährung von actiones in factum konnten aus den sogenannten Innominatkontrakten
– die typischerweise nicht den anerkannten Vertragstypen eindeutig zugeordnet werden konnten, aber Elemente aus diesen Verträgen enthielten – geklagt werden.
Als Beispiel für diese Innominatkontrakte wird im Folgenden der Lebensrettungsvertrag präsentiert, der eine interessante Konstellation im Bereich der Vertragsfreiheit behandelt.
9 Vgl. M. Xxxxxx, Agere praescriptis verbis cit., S. 13ff., und B. Biondi, Contratto e stipulatio: xxxxx xx xxxxxxx, Xxxxxx 0000.
10 Ausführlich über die actiones in factum, vgl. u.a. P. Gröschler, Actiones in factum – Eine Untersuchung zur Klage-Neuschöpfung im nichtvertraglichen Bereich, Berlin 2002, S. 11ff., M. Sargenti, Actio civilis in factum e actio praescriptis verbis in SDHI 72 (2006), S. 229ff., ders. ‚Actio civilis in factum‘ e ‚actio praescriptis verbis‘ – ancora una riflessione in Iuris vincula – Studi in onore di Xxxxx Xxxxxxxxx 7 (2001),
S. 237ff., M. Xxxxxx, Agere praescriptis verbis cit., S. 34ff., und L. Xxxxx, Contratti innominati cit., S. 60ff.
11 Die Römer lehnten z.B. ein Antasten des Erbrechts vor dem Ableben des Erblassers völlig ab. Mutmaßliche Erben konnten ihren Anteil nicht veräußern, Erbverträge im modernen Sinn oder Absprachen vor dem Erbfall gab es nicht. Vgl. W. Scherrer, Die geschichtliche Entwicklung cit., S. 12.
12 Die Verbindlichkeit zur Erfüllung des Vertrags war jedoch wie heute gegeben. Wollte sich ein Partner aus dem Vertrag zurückziehen, so trat der Schadenersatzfall ein. Die beiderseitige Verpflichtung war unabänderlich verbindlich und vergleichbar mit einem Gesetz. Kam ein Partner der Erfüllung nicht nach, so durfte der andere seine Leistung nicht etwa einfach abändern oder zurückhalten, auch, wenn ihn dies stark belastete. Vgl. W. Scherrer, Die geschichtliche Entwicklung cit., S. 13f.
Der sogenannte Lebensrettungsvertrag im klassischen römischen Recht 149
3. Der Lebensrettungsvertrag in den Digesten
In den Digesten kann man zwei Texte über den sogenannten Lebensrettungsvertrag finden. Eines von diesen Fragmenten ist aus dem 5. Buch der Sentenzen von Paulus bei dem Titel „de donationibus“:
Xxxx. 5 sent. D. 39, 5, 34, 1:13 Si quis aliquem a latrunculis vel hostibus eripuit et aliquid pro eo ab ipso accipiat, haec donatio inrevocabilis est: non merces eximii laboris appellanda est, quod contemplatione salutis certo modo aestimari non placuit.
Paulus vertritt die Meinung, dass es sich um eine unwiderrufliche Schenkung handelt, wenn jemand etwas bekommt, weil er einen anderen von Räubern oder Feinden befreit hat. Außerdem sollte es keine Belohnung für eine außergewöhnliche Leistung sein, weil es nicht möglich ist, dass man einen bestimmten Wert für die Lebensrettung feststellt. Es liegt auf der Hand, dass Paulus hier die Wirksamkeit eines sogenannten Lebensrettungsvertrags anerkennt. Er findet es zulässig, wenn jemand etwas – wenig oder viel – einem anderen zahlt, wenn dieser den ersten von einer Gefahr befreit hat. Aus dem von Paulus geschilderten Sachverhalt kann man wahrscheinlich noch den Zeitpunkt14 dieser Frage feststellen. Es geht hervor, dass derjenige, der den anderen gerettet hatte, bereits etwas bekommen hatte. Weil diese Vereinbarung wirksam ist, darf der Geber
nichts zurückfordern.
Ferner handelt es sich – wie es im Text steht – um eine „donatio inrevocabilis“, eine „unwiderrufliche Schenkung“. Mehr als bei einer Schenkung dürfte der Jurist hier auf die Unmöglichkeit der Zurückforderung des Geschenkes hinweisen.15 Meines Erachtens spricht Paulus hier von einer Schenkung, weil diese eine unentgeltliche Zuwendung darstellt.16 Außerdem kann man, wie Paulus geschrieben hat, keinen Wert für die Lebensrettung feststellen. Deswegen ist nicht die Rede von einem Austauschvertrag, sondern eher von einer Schenkung.17 Man kann jedoch den vertraglichen Charakter des
13 Es handelt sich eigentlich um eine Doppelüberlieferung dieser Xxxxxxxxxxxxxxx xxx Xxxxxx, XX 0, 00, 0: „Ei, qui aliquem a latrunculis vel hostibus eripuit, in infinitum donare non prohibetur (si tamen donatio et non merces eximii laboris appellanda est), quia contemplationem salutis certo modo aestimari non placuit.“
14 Cf. O. Xxxx, Der Nothilfevertrag im römischen Recht, Xxxxx’x Hill 1977, S. 5f.
15 Cf. O. Xxxx, Der Nothilfevertrag cit., S. 4.
16 M. Kaser, Das römische Privatrecht cit., S. 601.
17 Xxxxxx X. Behrends, Besprechung von O. Xxxx, Der Nothilfevertrag im römischen Recht, in SZ 96 (1979),
S. 356. Er meint, dass es einen Austauschcharakter bei dem Lebensrettungsvertrag gibt. Ferner gibt der Text kaum Elemente, die auf „einen Lohn für außerordentliche Mühe“ hinweisen, wie O. Behrends, Besprechung von O. Xxxx cit., S. 356, vertritt.
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Lebensrettungsvertrags feststellen. Der Schenker hat etwas dem anderen versprochen – und in dieser Digestenstelle gegeben, weil (oder damit) dieser sein Leben rettet.
Noch zu erwähnen ist, dass man bei dieser Digestenstelle auch an die lex Cincia de donis et muneribus18 denken muss. Wenn im Text der Lebensrettungsvertrag unter der Schenkung einordnet wird, muss man damit rechnen, dass die exceptio legis Cinciae im Fall der Übermaßschenkung eintreten kann.19
Das zweite Fragment der Digesten über diesen Innominatkontrakt ist aus dem 11. Buch des Edikts Kommentar von Xxxxxx:
Ulp. 11 ad ed. D. 4, 2, 9, 1: Animadvertendum autem, quod praetor hoc edicto generaliter et in rem loquitur nec adicit a quo gestum: et ideo sive singularis sit persona, quae metum intulit, vel populus vel curia vel collegium vel corpus, huic edicto locus erit. Sed licet vim factam a quocumque praetor complectatur, eleganter tamen Xxxxxxxxx ait, si quo magis te de vi hostium vel latronum vel populi tuerer vel liberarem, aliquid a te accepero vel te obligavero, non debere me hoc edicto teneri, nisi ipse hanc tibi vim summisi: ceterum si alienus sum a vi, teneri me non debere, ego enim operae potius meae mercedem accepisse videor.
Xxxxxx zitiert hier die Meinung von Xxxxxxxxx und stimmt dieser zu. Es handelt sich um den folgenden Tatbestand: Xxxxxx bekommt etwas oder verpflichtet den anderen, weil der erste den zweiten von einer Gewalt befreit hat. Diese Gewalt wurde von einem Feind, Räuber oder allgemein vom Volk verursacht. Gemäß der Meinung von Xxxxxxxxx sollte das Edikt für eine solche Situation nicht angewendet werden. Mit anderen Worten ist das hier beschriebene Geschäft gültig, weil es nicht unter das Verbot des Edikts fällt.
Der Digestentitel 4,2 behandelt das Thema der metus. Die vielen Fragmente aus dem 11. Buch des Edikts Kommentar von Xxxxxx fangen mit dem bekannten Zitat an:
„quod metus causa gestum erit“. Es liegt auf der Hand, dass die zentrale Frage bei einem möglichen Lebensrettungsvertrag in Ulp. 11 ad ed. D. 4, 2, 9, 1 über die Wirksamkeit einer solchen Verabredung sein muss. Xxxxxx und Xxxxxxxxx fragen sich, ob das Versprechen oder die Schenkung desjenigen, der gerettet wurde, unter einer Art Erpressung (d. h.
18 Die lex Cincia de donis et muneribus war ein Plebiszit aus dem Jahr 204 v. Chr., das Schenkungen über einen uns unbekannten Wert verbot. Cf. M. Kaser, Das römische Privatrecht cit., S. 602ff. Vgl. auch F. Xxxxxxxx, Xxx Xxxxxx: contributo xxxx xxxxxx xxxxx xxxxxxx xxxxx xxxxxxxxx xxxxxx, Xxxxxx 0000.
19 In PS 5, 11, 6 steht, dass man „in infinitum donare“ darf. Das war natürlich nicht im Sinn der lex Cincia de donis et muneribus gedacht. Andererseits lässt sich es mit der lex Cincia de donis et muneribus problemlos verknüpfen: Die Schenkung bleibt wirksam, auch wenn sie über den bestimmen Wert hinaus ist, wenn die exceptio legis Cinciae nicht angewendet wird. Sie ist nach ius civile gültig. Cf. auch M. Kaser, Das römische Privatrecht cit., S. 603.
Der sogenannte Lebensrettungsvertrag im klassischen römischen Recht 151
metus) entstanden sein könnte. Wenn es so wäre, wäre dieses Geschäft durch das Edikt verboten.20 Die Entscheidung des Pomponius (bzw. auch von Xxxxxx, der seine Meinung zitiert) ist eindeutig: Das Edikt hat hier keine Anwendung, weil dieses Geschäft nicht unter den Tatbestand des metus fällt.
Bemerkenswert ist der letzte Satz des Fragments: ego enim operae potius meae mercedem accepisse videor. Hier wird erklärt (ob von Xxxxxxxxx oder Xxxxxx ist unklar), dass der, der den anderen gerettet hat, etwas für seine Dienste bekommt. Deswegen kann man hier von einer denkbaren locatio conductio operarum sprechen:21 Der Lebensrettungsvertrag würde wie eine locatio conductio operarum (oder ein Dienstvertrag) funktionieren, weil der Befreite etwas für die Rettung seines Lebens (d.h. Dienst) zahlen würde. Andererseits kann man nicht annehmen, dass dies bei den römischen Juristen ebenfalls so angesehen würde. Es handelt sich nach wie vor um einen Innominatkontrakt, wenn es überhaupt beabsichtigt war.22
Zweifellos wird aberauch hier dieWirksamkeit dieses Lebensrettungsvertrags anerkannt. Xxxxxx und Xxxxxxxxx vertreten die Meinung, dass es verbindlich sei, wenn einer einem anderen etwas verspreche, wenn dieser sein Leben rette. Anders als bei der paulinischen Stelle liegt der von den Juristen behandelte Zeitpunkt vor der Rettung.23 Deswegen ist hier nicht die Frage der Zurückforderung des Geschenkes eingetreten, sondern der metus ist das zentrale Thema dieses Fragments.
4. Ergebnisse
Auch wenn man von einer Typengebundenheit beim klassischen römischen Schuldrecht ausgehen muss, ist es doch klar, dass man in der damaligen juristischen Praxis problemlos damit umgehen konnte. Mit der Gewährung von z.B. actiones in factum konnte man aus einem Innominatkontrakt – wie dem Lebensrettungsvertrag – klagen.
Aus der Quellen geht es hervor, dass der Lebensrettungsvertrag enthält, wie es üblich bei den Innominatkontrakten ist, Eigenschaften von verschiedenen anderen Verträgen. Man kann hier Elemente der locatio conductio operarum oder der Schenkung erkennen. So haben es wahrscheinlich auch die römischen Juristen verstanden, und infolgedessen haben sie die Klagbarkeit dieses Geschäfts anerkannt.
20 Das war wahrscheinlich die herrschende, oder zumindest breit vertretene Ansicht in klassischer Zeit, so dass Xxxxxx es pointieren musste, um seine Meinung (und xxx Xxxxxxxxx) e contrario zu vertreten. Vgl. O. Behrends, Besprechung von O. Xxxx cit., S. 356.
21 O. Behrends, Besprechung von O. Xxxx cit., S. 356, schreibt von einer locatio conductio operarum aber bei
D. 39, 5, 34, 1. Dafür gibt der Text keinen Anhaltspunkt. Bei der Ulpianischen Stelle schon, auch wenn es nicht zwingend ist.
22 Vgl. M. Kaser/R. Xxxxxx, Römisches Privatrecht cit., S. 294.
00 Xxx. X. Xxxx, Xxx Xxxxxxxxxxxxxxx cit., S. 5.
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Unklar ist das Verhältnis des Lebensrettungsvertrags mit der lex Cincia de donis et muneribus in klassischer Zeit. Aus den Quellen über den Lebensrettungsvertrag geht es nicht hervor, dass die Parteien unter das Verbot der Übermaßschenkung fallen. Andererseits ist es durchaus möglich, dass die exceptio legis Cinciae doch eintreten konnte, damit der Gerettete einen gewissen Schutz zur Verfügung hat, falls er z. B. sein ganzes Vermögen ausgibt. Hervorzuheben ist, dass der Lebensrettungsvertrag ein gutes Beispiel ist, um zu verstehen, wie die sogenannte Vertragsfreiheit im römischen Recht behandelt wurde.
Februar, 2013.
Literaturverzeichnis
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